Udo Jeschke und die Rückkehr zur SG 06
Gespielt wird Satz drei, es steht 3:3, und dieser Ballwechsel dauert eine gefühlte Ewigkeit. Als Fabian Röttgering den Angriff zum Punkt für die SG Coesfeld 06 versenkt, ballt der Mann am Seitenrand die Fäuste und macht einen Sprung in die Höhe – Emotion pur, die sich auf das Feld und die Zuschauerränge überträgt. Genau das zählt zu seiner Mission. „Ich möchte mit meiner ganzen Energie helfen, dass die Mannschaft Spaß am Volleyball gewinnt“, sagt Udo Jeschke. Ob das am Ende dazu reicht, doch noch den Klassenerhalt in der Regionalliga zu schaffen? „Ich bin kein Zauberer“, weiß der Rückkehrer. Aber einer, der die Lebensgeister wecken kann.
Viele Hände muss Jeschke an diesem Abend schütteln. Etliche Weggefährten aus seiner Zeit in Coesfeld, die ihn freudig zurück in „ihrer Familie“ begrüßen. „Mein Herz hängt an den Leuten hier“, sagt der 70-Jährige, der in seiner Zeit von 2020 bis Frühjahr 2023 die wohl erfolgreichste Zeit bei der SG 06 geprägt hat und nun noch einmal anpackt, um vielleicht das fast Unmögliche möglich zu machen. „Deswegen stelle ich mich dieser Herausforderung.“
Eine Herausforderung, von der er bis zwei Tage vorher noch gar nichts wusste. Workshops und Volleyball-Camps hatte er seit seinem Abschied aus Coesfeld organisiert, aber keinen neuen Trainerjob angetreten – was sich aber in Zukunft wieder ändern sollte. „Das war auf Dauer zu langweilig“, zuckt Udo Jeschke mit den Schultern. „Deshalb will ich in der nächsten Saison noch einmal höherklassig anpacken.“ Ein Vorhaben, von dem Philipp Heuermann Wind bekam. Nach der komplizierten Hinserie und nur einem Sieg aus zwölf Spielen einigte sich der Abteilungsleiter mit Trainer Knut Powilleit darauf, es noch einmal mit einem neuen Impuls zu versuchen – und kontaktierte den Ex-Coach. „Eine Nacht wollte ich darüber schlafen“, lächelt Jeschke. Einen weiteren Tag später stand er in der Trainingshalle.
Zu tun bekommt es der ehemalige Champions League-Trainer mit einer seiner größten Herausforderungen. Noch nie zuvor hat er eine Mannschaft im laufenden Betrieb übernommen, ohne sie auf die Aufgaben vorbereiten zu können. „Ohne Gewähr auf Erfolg“, weiß er. Aber mit jeder Menge Herzblut. Natürlich habe er aus der Ferne den Weg seiner alten Mannschaft verfolgt, „und das tat mir in der Seele weh.“ Dass es für Knut Powilleit und sein Team sehr schwer werden würde, sei zu befürchten gewesen. „Kein Wunder, wenn dir mit Thommy Wittkowski, Virgil van Dijk und Henry Gerding drei so durchschlagskräftige Spieler verloren gehen.“
Aufgeben gilt nicht! Nein, dieser Gedanke existiert für Udo Jeschke nicht. Sicher ist für die SG 06 seit der 1:3-Niederlage gegen FCJ Köln II nur eine Sache: Aufsteigen können sie nicht mehr, weil die beiden Spitzenmannschaften Moerser SC und Meckenheimer SV nach Punkten nicht mehr einzuholen sind. Aber sonst will sich der Comebacker auch von zwölf Punkten Rückstand auf einen Nichtabstiegsplatz nicht abschrecken lassen. Wichtig sei, sich immer wieder zu hinterfragen, was sich verbessern lässt. „Die Jungs müssen Lust haben, zu arbeiten“, betont er. „Dann können wir die Baustellen angehen.“ Dass Thommy Wittkowski nach seinem Auslandssemester möglicherweise in den letzten drei Saisonspielen wieder zur Verfügung stehen könnte, macht zusätzlich Hoffnung.
Ob die Mission tatsächlich gelingt, muss sich zeigen. Ab sofort pendelt Jeschke wieder regelmäßig zwischen Essen und Coesfeld, und das gewiss nicht nur, um irgendwelche Rechnungen anzustellen, ob es noch reichen kann. „Der Spaß ist mir auch wichtig“, sagt er. Bei den Spielern, nicht zuletzt auch bei den Fans, die am Samstag wieder in deutlich größerer Zahl den Weg in die Halle gefunden haben. Ein Event für alle Beteiligten, das liegt ihm am Herzen. „Alle müssen an einem Strang ziehen“, weiß Udo Jeschke. „Ich kann dafür nur der Motor sein.“ Ein Antrieb im höchsten Drehmoment.
Text und Bild: Frank Wittenberg, Allgemeine Zeitung Coesfeld
Zurück am Seitenrand: Mit Unterstützung von Bernhard Heuermann hat Udo Jeschke (rechts) wieder das Kommando bei den Volleyballern der SG Coesfeld 06 übernommen.