Bogenschießen: Danny Becker schafft es bei der WM mit Ersatzgerät auf Platz drei
Der Moment, in dem die WM-Medaille in unerreichbare Ferne zu rücken scheint, kündigt sich mit einem Knistern an. „Ich habe den Bogen sofort abgesetzt und weggeworfen“, schildert Danny Becker die Sekunden, die sich wohl für immer in sein Gedächtnis eingebrannt haben. „Denn wenn der explodiert, ist die Verletzungsgefahr riesengroß.“ Sein wertvolles Sportgerät gibt den Geist auf, ausgerechnet in Estland, ausgerechnet bei der Weltmeisterschaft – umso heller strahlt die Bronzemedaille, die der 32-Jährige mit auf die Heimreise nehmen darf.
Es ist Tag vier von fünf, und der Rosendahler, der für die Coesfelder Vereine DJK und SG 06 startet, hadert mit seinen Schießleistungen. Nach den ersten drei Durchgängen liegt er auf dem Bronzerang in der Bogenschützen-Klasse „Bowhunter Unlimited“, alles ist eng beisammen, aber in dieser Runde will es einfach nicht klappen. „Ich musste im Laufe der Zeit immer weiter nach links halten, um die Mitte der Scheibe zu treffen“, schüttelt er den Kopf. „Im Nachhinein ist mir klar, warum.“ Denn offenbar hat sein Bogen auf dem Flug nach Estland einen Schlag bekommen. Jedenfalls weist auch der Transportkoffer eine Macke auf.
So passiert das, was bei einem so hochsensiblen Sportgerät gravierende Folgen hat. Im sogenannten Wurfarm im oberen Bereich des Bogens, der aus Fiberglas und Carbon besteht, bildet sich ein Riss. „Das ist mir bisher noch nie passiert“, berichtet Becker, der schnell reagiert, den Schuss direkt abbricht und die Spannung vom Bogen nimmt, um Schlimmeres zu verhindern.
Was nun? Der vierte Schuss auf diese Scheibe steht noch aus, dazu vier weitere auf die letzte Scheibe. Einen Ersatzbogen, über den er natürlich verfügt, hat Danny Becker nicht mit nach Estland genommen. „Im Auto ist er immer dabei, aber auf einem Flug ist das zu kompliziert und teuer“, erklärt er. Aber die Sportler halten zusammen: Kristo Kent, der in der Gesamtwertung führende Este, lässt mit einem Quad seinen Ersatzbogen herankarren und stellt ihn seinem deutschen Konkurrenten zur Verfügung. Der darf drei Probeschüsse absolvieren und muss dann den vierten Pfeil setzen – in die Mitte. Und auch auf der letzten Scheibe schafft der Rosendahler mit dem eigentlich zu kleinen Gerät 19 von 20 möglichen Punkten.
Dennoch muss sich Becker, der als Dritter mit dem hauchdünnen Vorsprung von zwei Punkten auf den Engländer Daniel Rae in den letzten Tag geht, für die abschließende Runde etwas einfallen lassen. „Ich habe dann einen Bogen von einem anderen Esten bekommen, der eher meine Figur hat“, lächelt er. Noch am Abend baut er sein Visier und Zubehör um, schießt sich dann ein und zeigt schließlich seine ganze Klasse: Mit dem ungewohnten Bogen schafft er 531 von 540 Punkten – zu wenig, um den neuen Weltmeister Kristo Kent und den Zweitplatzierten Jakobus Dawid Barnard (Südafrika) zu gefährden, aber den Vorsprung auf Rae baut er noch um einen Zähler aus. Das ist für Danny Becker nach dem EM-Titel 2019 die erste WM-Medaille im Wettbewerb „Field“, bei dem einmal auf Tierbilder und in vier Runden auf Scheiben mit Distanzen von 6 bis 73 Metern geschossen werden muss.
Um seinen Hals baumelt damit eine Bronzemedaille, die sich angesichts der Umstände noch viel wertvoller anfühlt. „Erst wusste ich nicht, warum ich nicht so gut getroffen habe, aber das hat sich ja dann aufgeklärt“, lächelt Becker, der nun daheim seinen Bogen reparieren wird. „Nach diesem Drama bin ich mit Bronze bestens zufrieden.“
Quelle: Allgemeine Zeitung Coesfeld vom 17.08.2022